Angesagtes Reiseziel – die Zeushöhle
Die Lasithi-Hochebene – die Kinderstube des Zeus ist eines der besonders lohnenswerten Reiseziele auf der Insel. Die Hochebene befindet sich im zentralen Teil des Dikti-Gebirges im Osten Kretas. Neben dem Ida-Gebirge in Zentralkreta und den Lefka Ori im Westteil der Insel ist das Dikti-Gebirge einer der drei großen Gebirgszüge. Sie überziehen die Insel von Osten nach Westen und prägen wesentlich das Bild Kretas.
Wohl das bekannteste Reiseziel in der Hochebene ist die Diktaion Andron – die Diktäische Höhle oberhalb von Psychro. Eben jene Höhle, in der der Göttervater Zeus der griechischen Mythologie zufolge aufwuchs.
Warum ist die Kinderstube des Zeus in Lasithi?
Zeus war der Sohn des Titanen Kronos und von Rhea. Kronos, hatte seinen Vater Uranos gestürzt und entmannt, da dieser seine eigenen Kinder im Schoß der Erde gefangen gehalten hatte. Dafür war Kronos durch seinen Vater prophezeit worden, dass auch ihm einst von seinen Kindern die Macht entrissen werden würde.
Aus Angst, dass diese Weissagung einmal eintreten könnte, hatte Kronos seine Kinder nach der Geburt sofort verschlungen. Deshalb verschlang Kronos nach einander Hestia – die Göttin des häuslichen Friedens, Demeter – die Göttin des Ackerbaus, Hera – die Schützerin der Familie, Hades den Gott der Unterwelt und schließlich Poseidon – den Gott der Meere.
Als Rea Zeus unter ihrem Herzen trug, wollte sie verhindern, dass auch ihn das Schicksal seiner Geschwister zuteilwerden würde. Daher floh sie mit ihm auf eine gastfreundliche Insel – nach Kreta. Hier wurde Zeus in einer Höhle des Dikti-Gebirges, in der Diktäischen Höhle in der Hochebene von Lasithi geboren. So wurde die Lasithi-Hochebene die Kinderstube des Zeus.
Zeus wurde von der Milch der Ziege Amalthea ernährt, die der Sage nach eine Nymphe war. Als Dank schenkte ihr Zeus später das Horn, das sich mit allem füllt, was sich der Besitzer wünscht.
Bewacht wurde der neugeborene Zeus auf Geheiß von Reha durch die Kureten – Fabelwesen, die vor allem auf Kreta verehrt werden.
Später konnte Zeus seine Geschwister aus dem Bauch seines Vaters befreien. Er setzte sich aber gegenüber seinen Geschwistern und den anderen Göttern durch und wurde somit zum uneingeschränkten und geachteten Herrscher auf dem Olymp. Über seine Söhne Minos und Radamanthys nahm Zeus auch in der Folgezeit aktiven Einfluss auf die Entwicklung der Insel und ihrer Kultur. (1)
Anreise durch eine malerische Landschaft
Für alle Besucher der Hochebene, die aus Richtung Agios Nikolaos kommen, bieten sich zwei Routen zum Plateau an. Die am meisten genutzte führt zunächst von Agios Nikolaos aus ungefähr 10 km über die neue Autobahn in Richtung Heraklion. An der Abfahrt Neapoli verlässt man die Autobahn und fährt durch dieses kleine malerische Städtchen. Innerhalb der Stadt ist der Weg zur Hochebene perfekt ausgeschildert.
Eine zweite Route führt von Agios Nikolaos zunächst auf der Ausfallstraße in Richtung Kritsa. Bereits kurz hinter dem Ortsausgang von Agios Nikolaos biegen wir an einem gut ausgeschilderten Abzweig in Richtung Lasithi ab.
Eine kleine schmale Straße führt durch weite Olivenhaine, die in einer ausgedehnten Ebene liegen. Nach ca. 10 km stoßen wir bei der Ortschaft Drasi auf die Straße, die von Neapoli kommend zum Hochplateau führt. Hier beginnt auch die eigentliche Auffahrt. Die Fahrt führt uns durch eine malerische Landschaft bei der wir durch fruchtbare Täler mit ausgedehnten Olivenhainen und über steile Serpentinen fahren.
Je höher wir kommen, ums so schöner wird der Blick auf Agios Nikolaos und die Bucht von Mirabello.
Noch in den 1990-ziger Jahren war die Fahrt zum Plateau ein kleines Abenteuer. Auf einer kleinen und z.T. sehr engen Bergstraße erforderten die Begegnungen mit den großen Reisebussen vielfach ein vorsichtiges Zurücksetzen an geeignete Ausweichstellen. Heute ist diese Straße über weite Strecken hervorragend ausgebaut. Allein innerhalb der kleinen Ortschaften, die die Strecke säumen, hat die Straße ihren ursprünglichen Charakter erhalten. Hier gibt es immer noch Probleme bei der Begegnung mit großen Fahrzeugen. Wir nehmen dies aber liebend gern in Kauf. Es ist nicht vorstellbar, was aus dem Charakter der kleinen kretischen Bergdörfer wie Mesa Patomi und Exo Patomi werden sollte, würde man hier breite Straßen durchbrechen.
Zeit zum Verweilen
An der Strecke finden sich zunehmend Rastplätze. Hier kann man einen kleinen Imbiss und einen Kaffee genießen und dabei vielfach auch einen traumhaften Ausblick auf die darunter liegende Landschaft auf sich wirken lassen.
Wir haben mittlerweile unsere „Stammtaverne“ auf halbem Weg zum Hochplateau gefunden. Die Kafe Snack Bar Moutsouna ist ein ausgesprochener Familienbetrieb. Zur Taverne gehört auch ein Mini Market in dem viele kretische Produkte zum Kauf angeboten werden. Neben den Inhaber wirken hier seine Eltern, Großeltern und andere Familienmitglieder mit. So stammt der Kuchen von der Großmutter. Holzschnitzereien steuert der Großvater bei. Hübsche Handarbeiten werde durch die Mutter des Inhabers gefertigt und der Vater brennt einen ausgezeichneten Raki. Darüber hinaus kann man Aquarelle mit Motiven der Insel kaufen.
In dieser freundlichen Umgebung haben wir oftmals gerastet und viele angenehme Gespräche mit dem Inhaber geführt. In diesen Gesprächen wurde auch sichtbar, wie er und seine Familie in den Zeiten der Finanzkrise um ihre Existent kämpfen mussten. Aber auch in dieser Zeit haben wir niemals erlebt, dass er seinen Mut verloren hätte. So standen Freundlichkeit und Herzlichkeit gegenüber den Gästen, auch den deutschen, nie in Frage.
Nachdem wir uns gestärkt haben, setzen wir unsere Fahrt fort. Wir erreichen schließlich ein kleines Plateau auf einem Bergkamm, den Eingang zur Hochebene. Von hier aus gelangen wir Dank der guten Ausschilderung problemlos zum kleinen Ort Psychro. Der Ort liegt unmittelbar unterhalb der Zeushöhle und ist somit der Ausgangspunkt für den Aufstieg.
Der Aufstieg zur Kinderstube des Zeus
Die Höhle selbst befindet sich in ca. 925 Höhenmetern. Das bedeutet, einen Höhenunterschied von etwa 75 Metern auf einem gut ausgebauten Weg zu bewältigen. Man kann diesen Aufstieg zu Fuß zurücklegen, was für Menschen mit normaler Konstitution zu bewältigen ist. Eine Alternative wäre, den Aufstieg auf dem Rücken eines Esels zurückzulegen. Eine Vielzahl von Führern bietet diese kleine Dienstleistung an.
So haben wir bei unserem ersten Besuch die Führung durch die Höhle mit einem dieser Führer absolviert. Mit ihnen musste man damals einen Preis für die Führung durch die Höhle und gegebenenfalls auch für den Ritt auf dem Esel aushandeln. Dabei war das Wort aushandeln in jedem Fall wörtlich zu nehmen. Im Gegensatz zu fast allen anderen touristischen Dienstleistungen auf Kreta war der Preis für die Führung durch die Zeushöhle noch lange Zeit eine Verhandlungssache.
Doch wir hatten bei unserem ersten Besuch Glück und fanden einen Führer, der uns ob seiner Herzlichkeit und seiner Lebensfreude, ein wenig an Alexis Sorbas erinnerte. Ein kleiner Mann von vielleicht 70 Jahren, aber mit einer Vitalität, die uns einfach in Erstaunen versetzte. Sein Haar, welches ebenso schlohweiß war wie seine Augenbrauen, bildete einen ansehnlichen Kontrast zur vom Wetter gebräunten Haut. Sein verschmitztes Lächeln und sein warmherziger Ausdruck machten ihm sicher viele Preisverhandlungen leichter. Nachdem wir mit ihm einen für uns annehmbaren Preis ausgehandelt hatten, begannen wir in einer kleinen Gruppe den Aufstieg.
Aber wir verzichteten auf die Nutzung eines Maultieres und legten den Weg nach oben per pedes zurück. Auf dem Weg zur Zeushöhle eröffnete sich uns immer wieder ein beeindruckter Blick auf die unter uns liegende Hochebene.
Abstieg in eine Märchenwelt
Am Eingang der Höhle angekommen, erhielt bei unserem ersten Besuch jeder Besucher eine Bergmannslampe, da es in der Höhle zum damaligen Zeitpunkt praktisch kaum eine Beleuchtung gab. Zwischenzeitlich ist das Innere der Höhle elektrisch beleuchtet. Ungeachtet dessen, konnten wir auch ohne künstliche Beleuchtung das vielschichtige Spiel der Farben in den Stalagmiten und Stalaktiten bewundern.
In dieser für uns beeindruckenden Umgebung erzählte uns unser Höhlenführer in einem Gemisch aus sehr gebrochenem Deutsch, etwas Englisch und Griechisch die Sage vom Zeus, wie sie am Beginn dieses Blogs geschildert wurde. Und doch hat uns gerade die Tatsache, dass wir dabei nicht alles verstehen konnten, dazu animiert, die Sage von der Geburt des Zeus und seinem Aufenthalt auf Kreta später intensiver nachzulesen.
In der Mythologie gibt es verschiedene Nuancen dieser Geschichte. So wird auch in einer Version davon ausgegangen, dass Zeus in einer Höhle des Ida Gebirges das Licht der Welt erblickte. In der Diktaion Andron auf Lasithi soll er nach dieser Auslegung lediglich aufgewachsen sein. Wie dem auch sei, für uns war der erste Besuch der Zeushöhle ein wunderschönes Erlebnis. Es war auch unsere erste Konfrontation mit den Verbindungen der griechischen Mythologie zu realen Orten. Wir verließen damals Diktaion Andron nicht wissend, dass wir die Spuren des Zeus bei unseren Besuchen auf Kreta noch oftmals kreuzen sollten.
Die Kinderstube des Zeus – damals und heute
In der Zwischenzeit hat sich rund um die Zeushöhle einiges geändert. Zwar besteht immer noch die Möglichkeit den Aufstieg auf dem Rücken eines Esels zu absolvieren. Den Preis für den Besuch der Höhle entrichtet man heute aber an einer kleinen Kasse am Einstieg. Das nette Erlebnis, wie mit unserem ersten Höhlenführer haben wir in den folgenden Besuchen leider vermisst. Ungeachtet dessen bleibt der Besuch der Höhle auch heute ein Erlebnis. Ein Erlebnis, das man sich bei einem Besuch auf Ostkreta nicht entgehen lassen sollte.
Einige Hinweise zum Besuch der Höhle sind aber auch heute noch aktuell. Gleich, ob man auf einem Maultier oder zu Fuß zur Höhle gelangt, sollte geeignetes und festes Schuhwerk zur Ausrüstung gehören. Die ist nicht nur für den Auf- und Abstieg ein Muss, sondern auch für einen sicheren Gang durch die Höhle eine Notwendigkeit. Da es sich bei der Zeushöhle um eine Tropfsteinhöhle handelt, sind auch die für die Touristen angelegten Wege in der Höhle nass und zuweilen rutschig. Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist der Temperaturunterschied zwischen dem Innern der Höhle und den Außentemperaturen. So kann gerade im Sommer der Temperaturunterschied schon einmal bei fast 30 Grad liegen. Das sollte man insbesondere beachten, wenn man etwas verschwitzt nach dem Aufstieg am Eingang der Höhle ankommt.
Mehr als die Zeushöhle
Wer sich zu einem Besuch der Hochebene von Lasithi entschließt, sollte sich jedoch nicht auf die Besichtigung der Zeushöhle beschränken. Auch aus anderen Gründen ist die Hochebene ein Touristenmagnet. Viele interessante Erlebnisse und Eindrücke bietet eine Fahrt durch die Dörfer der Hochebene.
Liste der verwendeten Quellen:
(1) Sofia Souli, dt. Übersetzung H.E. Langenfass: Griechische Mythologie, Verlag Michaelis Toubis, 1995